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Meine Ruine

– aus dem Zyklus Angebergedichte

Meine Ruine türmt sich höher als Eure Wolkenkratzer
Und von den höchsten ihrer Spitzen
uriniere ich auf eure Risikoanleihern und Versicherungspolizei

In meiner Ruine steckt mehr Blut, Schweiß und Sperma
als in euren Glitzerfassaden, Einkaufsparadiesen und Bürokomplexen

Meine Ruine ist schöner als Eure geilsten Neubauten
Denn sie ist das Werk jahrelanger, fahrlässiger Zerstörung und undurchdachter Verplanung

Meine Ruine raucht noch immer — ohne Filter
Meine Ruine wird von Star-Architekten kopiert
Und von arabischen Prinzen auf Wüstensand nachgebaut – eins zu eins
Und Disneys Erben planen einen Themenpark nach ihrem Muster

Meine Ruine wird nicht wieder aufgebaut
Sondern überwuchert von den Urwäldern der Zukunft

Meine Ruine ist der zerschmetterte Rest eines Falles,
eines Sturzes aus schwindelerregten Höhen

Meine Ruine ist gezeichnet von den Spuren eines Sturms
Doch jetzt pfeift ein lauer Wind sein Abendlied in den Löchern der Wände

Meine Ruine zeugt von kolossalem Größenwahn
In ihnen stecken die Schrecken einer verlogenen Vergangenheit

In meiner Ruine tummeln sich die Geister der vergangenen Kristallnacht
In meiner Ruine findet ihr mehr Leichen im Keller als am Ground Zero, Manhatten
In meiner Ruine schreien Graffittis von den Wänden: Dieses Dilemma ist eure Schuld!

Säufer pennen ihren Rausch aus, liegen da wie eine Herde gestrandeter Grindwale
Pusten aus dem letzten Loch, ihre wässrigen Augen starren auf ihren letzten Film
Kindersoldaten lernen, blind ihre Kalaschnikow zusammenzubauen
Ratten und anderes Getier zeugen von der Unaufhaltsamkeit der Evolution

Am diesem Skelett einer anderen, einer schlechteren Welt, nagen die Würmer der Jetztzeit.

Meine Ruine hat mich in den Ruin getrieben.

Eine Antwort auf „Meine Ruine“